NETZBEWIRTSCHAFTUNG MIT INTELLISYSTEMEN
Der Bedarf an Ressourcen wie Gas, Strom, Wasser und Mobilität ist mehr oder weniger schwankend. Er steht im Zusammenhang mit den Erfordernissen, Gewohnheiten und Ereignissen. Die meisten Bereiche der Infrastruktur werden entsprechend unterschiedlich beansprucht. Schwankungen intelligent im Griff haben, ist die Devise!
Veranschaulichen lassen sich die Beanspruchungen mit den Schwankungen in der Wasserwirtschaft durch die unterschiedlichen Tagesverbräuche von Wasser mit den häuslichen Bedarfsspitzen in den frühen Morgenstunden, Mittags- und Abendzeiten. Hinzu kommen die ebenso schwankenden Bedarfe aus Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft.
Bereits bei der Planung von Rohrleitungen und Anlagentechnik gilt es, auf die eher kurzfristigen Spitzenverbräche entsprechend zu dimensionieren. Dies bedeutet jedoch während der bedarfsarmen Zeiten eine zwangsläufige Überdimensionierung.
Wie ist dem Schwankungs- bzw. dem Dimensionierungsdilemma zu begegnen?
Eine Lösung wären skalierbare Rohr- und Anlagentechnik. Das bedeutet im Idealfall dehnbare Rohrleitungen – hier befinden sich jedoch technische und wirtschaftliche Grenzen.
Die Lösung für Schwankungen heißt daher in fast allen Bereichen der Infrastruktur, Speicher und Regeleinrichtungen vorzusehen. Beim Strom sind es die Batterien oder die Pumpspeicherwerke, beim Gas die Kavernen, in der Wasserversorgung die Hochbehälter und die Wassertürme, beim Abwasser die Regenbecken, beim Gewässer die Hochwasserpolder. Um die Speicherkapazitäten eines Netzes maximal zu nutzen, Energiekosten auf ein Minimum zu reduzieren und dabei die Betriebssicherheit zu optimieren, ist Netzbewirtschaftung der Schlüssel zum Erfolg.
Nutzen/ Funktionsweise Die Infrastruktur ist eine Schwankungswirtschaft!
Mit möglichst langfristig gesammelten Daten über die auftretenden Lastsituationen lassen sich Speicher entsprechend dimensionieren und durch Regelvorrichtungen bewirtschaften. Die Bewirtschaftung und zielführende Nutzung der Speicher erfolgt in der Regel durch lokale Mess-, Automatisierungs- und Regeleinrichtungen. Befinden sich die Anlagen und deren Nutzung im Verbund, so müssen sie durch Informations- und Kommunikationstechnologien vernetzt werden.
Die Wasserversorgung von Städten und Gemeinden war bereits in frühester Zeit dezentral organisiert und vernetzt, da Standorte von Brunnen und Quellen im Versorgungsgebiet verteilt sind. Eine mögliche Erweiterung durch ein intelligenteres Steuerungsverfahren wäre die gleichmäßige Auslastung von Brunnenanlagen durch Berücksichtigung der Grundwasserpegel der einzelnen Brunnen und somit eine gleichmäßige Grundwasserbelastung.
Was in der Wasserversorgung gängige Praxis ist, also eine durch Kommunikationstechnik vernetzte Automatisierung der Prozesse, ist in den Kanalisationsnetzen heute eher die Ausnahme.
Die in den Mischwassersystemen baulich errichteten Speicher in Form von Regenbecken und Staukanälen dienen zum einen als hydraulischer Speicher, um Rohrleitungen kleiner zu dimensionieren, und zum anderen als Rückhaltevorrichtung für den Gewässerschutz. Sind die Speichervolumina bei Starkregen erschöpft, laufen diese über und leiten das überschüssige Abwasser in die Gewässer ein. Die ungereinigte Ableitung in natürliche Gewässer ist schädlich, insbesondere durch die zunehmende Belastung des Niederschlagswassers durch Schadstoffe wie Mikroplastik.
Die Abflussregelungen an den Regenbecken, welche für den Einstau und die Entleerung der Speicher sorgen, werden statisch mit einem festen, wasserrechtlich genehmigten Sollwert betrieben, obwohl es aufgrund des Niederschlaggeschehens zu einer vom Bemessungsfall abweichenden Beanspruchung der Speichervolumina in den Netzen und Regenbecken kommen kann. Sowohl bei normalen und ungleichmäßig verteilten Niederschlägen als auch bei Starkregenereignissen kann es zu dieser abweichenden Beanspruchung kommen.
Aus Sicht der Gewässer ist das nicht die optimale Lösung, denn so kann es zu Überlaufereignissen von Abwasser in die Gewässer kommen, obwohl möglicherweise noch Speicherraum oder Abflusskapazitäten im System vorhanden sind. Wie ist in Erfahrung zu bringen, ob und wieviel Speicher- und Abflusspotential in meinem Entwässerungs- und Speichersystem vorhanden und aktivierbar ist?
Zunächst einmal gilt es, das Abflussgeschehen in Kombination mit den Niederschlägen über längere Zeiträume aufzuzeichnen. Liegen diese Daten vor, erfolgt unter Einbeziehung von Bestandsdaten – wie baulichen, geometrischen Größen, Netzplänen und den an den Regeleinrichtungen eingestellten Parametern und Stellgrößen.- eine erste Auswertung und Analyse der Daten, um das ungenutzte Speicherpotential zu ermitteln. Diese Analyse dient insbesondere als Entscheidungsgrundlage für die Planung eines Netzbewirtschaftungssystems.
Angenommen, es ist ausreichend Potenzial vorhanden – wie sieht nun ein solches System aus und wie arbeitet und wirkt es?
Als Erstes erhalten die bereits im Einsatz befindlichen Automations-, Überwachungs- oder Fernwirksysteme einige IntelliNet-Zusatzkomponenten in Form von Hard- und Software. Diese Komponenten sorgen dafür, dass alle Prozessdaten als Gesamtprozessabbild auf einem übergeordneten Bewirtschaftungssystem online zur Verfügung stehen.
Das IntelliNet-Bewirtschaftungssystem verfügt über eine Software, die es ermöglicht, über ständige Prognosen und Ist-Abgleiche das Abfluss- und Einstaugeschehen vorherzusagen. Entsprechend der Vorhersage und der im System abgebildeten Netz- und Speicherstruktur kann das System ermitteln, wie bei prognostizierten Niederschlägen die Abflussregelungen zielgerichtet eingestellt sein sollten, um das im Netz vorhandene Volumen sowie die Abflusskapazitäten auszunutzen, Abschläge zu vermeiden oder die Zulaufmenge zur Kläranlage zu regulieren.
Das IntelliNet-Bewirtschaftungssystem sollte stets mit einem SCADA-System – betrieben werden. Mit Hilfe des SCADA-Systems kann der aktuelle Prozess eingesehen und ausgewertet werden, es unterstützt bei auftretenden Störungen und dokumentiert das Betriebsverhalten in Form von Ganglinien und Berichten. Ein Nachweis der Funktionsweise der Bewirtschaftung ist somit jederzeit möglich.
Anwendungsbeispiele
Anwendungsbeispiel 1 – Strahljet/ Beckenreinigung
Konventionelle Strahljets arbeiten Füllstands- und tendenzabhängig. Mit IntelliGrid Automation speichern sie Füllstandsganglinien und kennen daher die Trockenwetterzeiten. In Verbindung mit den Niederschlagsprognosen aus dem NiRA.web Portal können anstehende Einstauereignisse somit bewertet werden, um die Betriebsweise der Jets auf das zu Erwartende einzustellen. Dies führt zu wesentlich geringeren Betriebszeiten und somit Einsparungen an Energie und insgesamt an Betriebskosten.
Anwendungsbeispiel 2 – Gewässerschutz
Es ist sinnvoll, die Einleitung von Abwässern in Gewässer bei Starkregen zu reduzieren. Dazu wurden die Kanalisationssysteme mit Rückhalteräumen in Form von Regenbecken ausgestattet. Doch auch deren Speicherkapazitäten sind bei Starkregenereignissen begrenzt. Bei Auslastung der Stauräume wird dann mit Regenwasser vermischtes Abwasser über Überlaufbauwerke in die Gewässer eingeleitet.
Um die vorhandenen Stauräume besser auszunutzen, bedarf es Informationen zum Niederschlagsabflussgeschehen. Diese liefern SCADA –Systeme durch aufgezeichneten Füllstands- und Durchflussdaten. Für ein ganzheitliches Bewirtschaften sind zusätzlich Niederschlagsdaten erforderlich, welche durch das Niederschlagsportal NiRA.web zur Verfügung gestellt werden. Die historischen, aktuellen und prognostischen Füllstands-, Abfluss-und Niederschlagsdaten werden dann im Bewirtschaftungs-System IntelliNet verarbeitet. Das ermöglicht eine situativ einstellbare Abfluss-, Steuer- und Regeleinrichtung. Ziel ist, vorhandene Stauräume bei unterschiedlichen Ereignissen optimal auszunutzen und Einleitungen in Gewässer damit zu reduzieren. Auch der Betrieb von Kläranlagen kann auf zu erwartende Zusatzmengen eingestellt werden.
Anwendungsbeispiel 3 – Rechen
Die beste Rückhaltewirkung von Schwimmstoffen bei Rechenanlagen wird durch einen Rechengut-Filter erzielt. Diese Filter baut sich bei Entlastung und Stillstand der Reinigungsharke unter Berücksichtigung des Oberwasserstands durch die Schwimmstoffe vor bzw. in der Rechenanlage auf. Sollten bestimmte Wasserstände erreicht bzw. überschritten werden, tritt die Reinigungsharke in Funktion und reinigt die Rechenanlage soweit hydraulisch erforderlich.
Zum Ende eines Entlastungsereignisses findet i.d.R. eine Endreinigung der Rechenanlage statt. Diese Reinigung entfällt, der Rechenfilterkuchen wird erhalten, wenn vom NiRA.web die Information über ein weiteres zu erwartendes Niederschlagsereignis mit einer weiteren Entlastung kommt. Ergebnis: Umweltschutz, geringere Laufbelastung und Energieersparnis.
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